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 Leopold Fricke, Christoph Müller, Moritz Fricke und Simon Tripp

Als Christoph letztes Jahr das erste Mal den Vorschlag machte die WM auf Sardinien mit zu segeln, dachte ich, er macht einen Witz und schwimmt immer noch auf der Welle des Erfolgs unseres Bundesligaevents in Travemünde. Da es mir nicht anders ging, stimmte ich natürlich zu.

Also planten wir drauf los und uns wurde schnell klar, dass das ein großes Unternehmen wird. Aber die Bilder aus dem Vorjahr der WM in San Francisco sowie die bereits 150 gemeldeten Boote motivierten uns weiter.

Nach unserem Bundesliga Heimspiel, bei dem sich der Chiemgau, der Club und die Mannschaft von ihrer besten Seite gezeigt haben, wurde es ernst und wir bekamen das „okay“ für unsere Meldung. In Zusammenarbeit mit Fritz Segel wurde ein neuer WM-gerechter Satz Segel besorgt und durch unseren Partner Audi Osenstätter hatten wir ein Fahrzeug, um die 1200 km nach Porto Cervo auf Sardinien anzutreten.

Und dann war es soweit!

„Ja wir machen das!“ stand dann endlich Mitte März in unserem Gruppenchat. Die Monate des Planens waren vorbei und die Monate des Anpackens fingen an.

Die ersten Instruktionen unseres Captain hörten sich noch lustig an. Aber wie viel zu tun war, sollten wir die nächsten Monate noch spüren. Es galt das Boot fit zu machen und sich die, wie wir noch sehen sollten, sehr ernst zu nehmenden Klassenvorschriften anzueignen.

Bei jedem Treffen wurde geplant und diskutiert. Die Meldezahlen stiegen weiter an, die Nervosität auch. Der Trainingseinsatz von Mehlsackrudermaschinen für Genackerfahrer wurde besprochen und teambildende Maßnahmen wurden zum Abendprogramm.

Am Freitag den 8. September haben wir uns endlich an der aufpolierten Argo getroffen. Noch ein letzter Feinschliff am Kiel und fertig machen zur Abfahrt stand auf dem Programm. Bis nachts um 12 Uhr werkelten wir im Schummerlicht der Winterhalle. Der ein oder andere alte Hase gab uns noch seine Porto Cervo Geschichte und Glückwünsche mit auf die Reise.

 

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Samstag früh morgens ging es los und die Aufregung aller lag in der Luft. In Genua angekommen, verluden wir unser Gespann auf die Fähre und machten unsere erste Bekanntschaft mit dem Mistral, der uns die ganze Nacht in den Schlaf schaukeln sollte.

Am nächsten Morgen ging es über eine 100 km lange Serpentinenstrecke von Porto Torres nach Porto Cervo. Angekommen merkten wir schnell, dass unsere Erwartung und Spannung nicht überzogen war. Wir erfuhren, dass 173 Teams gemeldet hatten und die Veranstaltung die größte One Design Regatta aller Zeiten ist. Den Mast gerade fertig gestellt, wurden wir auch schon zum Wiegen gezogen und das Boot wurde genauestens überprüft. Nach kleinen Ausbesserungen bekamen wir das okay und einen Liegeplatz. Das ging „leider“ nicht für alle so glatt und die WM startete mit einem „Kielskandal“. Mehrere Profiteams wurden nach Hause geschickt, weil sie zum Teil massive Veränderungen an der Kielbombe durchgeführt hatten. Dieses Thema und der Versuch einiger Teams wieder rein zu kommen, sollte noch länger Gesprächsstoff bleiben.

Die sehr ausführlichen Segelanweisungen wurden mit befreundeten deutschen Teams aus der Liga besprochen, denn auch für die Wettfahrtleitung war eine Regatta dieser Größe und bei permanenten Starkwind eine Herausforderung, die durch viele sicherheitsrelevante Regeln bewältigt werden sollte.

Am Montag wollten wir trainieren und am Nachmittag sollte eine Aufwärmregatta außerhalb der Wertung stattfinden. Bei Mistral mit bis zu 53 Knoten durfte den Hafen aber keiner verlassen und wir waren einen weiteren Tag zum Feintuning verdonnert.

Dienstags sollte es dann mit den Qualifikationsrennen losgehen. Als Moritz und ich das Boot putzten, kamen Christoph und Poldo aber mit anderen Neuigkeiten vom Wetterbriefing. Mehr Wind als am Vortag und keine Wettfahrten heute. Also Strandtag. Nachdem wir aber alle bis in die Haarspitzen motiviert und bereit waren, wurde der Genuss mancher Badeurlauber zur psychischen Zerreißprobe unseres Teams. Nur durch phantasievolle Spielkreationen konnte der Bewegungsdrang unserer Mannschaft gestillt werden, so dass wir auch diesen Tag des Nichtstuns überstanden haben.

Am nächsten Tag die gleiche ernüchternde Diagnose: Mistral im Sturmbereich. Nach zwei segelfreien Tagen und befürchteter Wettkampfänderung von Gold und Silver Fleet auf gemeinschaftliches Starten der 163 Booten an einer Linie, war die Wettfahrtleitung aber zu recht so angespannt, das es keine Absage für den ganzen Tag gab und wir im goldenen Käfig von Porto Cervo gefangen waren.

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Anspannung pur. Wir inspizierten den Hafen mit den gigantischen Motor- und Rennyachten. Dieter Schön mit seiner ebenfalls orange gekleideten Besatzung war mit ihrer MOMO vor Ort und konnte sich im Anschluss den Weltmeistertitel erkämpfen. Teile unserer Mannschaft träumen seit diesem Tag, nächstes Jahr auf etwas größeren Booten als der J ihr Können unter Beweis zu stellen.

Inspiriert von diesen Eindrücken und den Preisen im Yachtclub Costa Smeralda verrückten wir das Komma bei anschließenden Schafkopfen um zwei Stellen und legten die legendäre Porto Cervo Doppelnull fest, was bei manchen zu gigantischen, gottseidank imaginären Schulden führte.
Um drei Uhr kam die Gewissheit über Funk, dass keine Wettfahrten mehr zu erwarten waren und wir wurden mal wieder ohne Auslastung in den Feierabend entlassen. Die Anspannung war an ihrem Höchstpunkt. Klettern auf kleinsten Felsen und Captain-Jagen waren heute die Ventile, um die scharrenden Füße zu beruhigen.

Am Donnerstag sollte es aber so weit sein. Eine Stunde eher segelfertig als an den Vortagen starteten wir um sieben Uhr in den Hafen. Der Wind war noch stark aber endlich segelbar - das heißt zwischen 18 und 22 Knoten. Beim Auslaufen sahen wir das erste Mal bewusst die Masse von 163 Schiffen in einer Linie.

Gesegelt wurde in vier Gruppen, die im Round Robin Modus jeweils einmal alle gegeneinander angetreten sind. Nach einem ereignisreichen Tag und drei langen Wettfahrten mit den Platzierungen 14, 48 und 34 war am Abend klar, dass wir uns für den Goldfleet qualifiziert hatten und uns mit den Stärksten der Regatta messen konnten.

Diese Euphorie wurde am nächsten Tag gebremst, als wir nach hartem Kampf bei mittlerem Wind einen 77. Platz segelten und die Stärke eines solchen Feldes, das hauptsächlich aus Profis bestand, zu spüren bekamen. Aber schon in der Nächsten konnten wir nach misslungenem Start Plätze gut machen. An der ersten Lee Tonne glänzte Poldo mit einem späten Bergemanöver sowie Auge und Mut zur Lücke. Er steuerte souverän mit Tonnenraum durch einen Haufen von ca. 25 Schiffen und plötzlich fanden wir uns auf einem der vorderen Plätze wieder. Leider wurde diese Wettfahrt wegen einsetzendem Seewind nicht beendet und wir blieben für den Tag auf den hinteren Plätzen.

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Der letzte Tag war ein Segelerlebnis für uns von dem wir wahrscheinlich noch lange erzählen werden. An der Grenze zum möglichen Auslaufen fuhren wir in der Früh raus. Bei knappen 25 Knoten und mittlerweile großer Welle wurden zwei Starts der Silver Fleet zurückgerufen, um endlich den Dritten unter schwarzer Flagge durch zu bringen. Dann waren wir dran. Nur durch schreien konnten wir noch kommunizieren. Allgemeiner Rückruf auch für uns zweimal. Start unter schwarzer Flagge und wir sind unterwegs. Die Bilder und die Stimmung, die wir erleben sind fantastisch. An der Luvtonne kocht das Wasser. Die Wellen, sowie die 82 anderen Boote machen das Annähern zu einer schwierigen Aufgabe. Ein kurzer Schockmoment für uns alle, als ein russisches Team mit offenen Segeln kurz vor der Luvtonne auf uns zuschießt. Sie kamen mit Steuerbordschoten doch nicht in die erhoffte Lücke, doch die Steuerfrau schlängelt sich abgeklärt durch fünf entgegenkommende Boote. Auf dem Downwind fliegen wir und für Christoph wird am Genacker das Training im Activa Medici elemtar. Wir beenden das Rennen als 48igste und der Wind frischt weiter auf. Nochmal die Wanten spannen und Vorbereitung zum letzten Rennen. Wir kämpfen, denn die Segel sind nur noch mit vereinten Kräften zu ziehen. Vor allem das Runterfahren wird zum Kraftakt und nur mit zwei Leuten ist ein Dichtholen des Genackers noch möglich. Am Ende schließen wir die Wettfahrt als 58igste ab und haben noch eine Stunde Heimfahrt vor uns. Bei Wind jenseits der 30 Knoten folgen wir der Reihe von querliegenden Booten und sind glücklich und erschöpft im Hafen.

Auch beim Abbauen merken wir erneut das Niveau im Feld, als nach kurzer Zeit bereits die meisten Boote abfahrbereit verpackt waren und wir immer noch den Mast stehen hatten. Geschuldet der wenigeren helfenden Hände brauchten wir noch bis in den Abend hinein.

Beim Abendessen konnten wir es immer noch nicht ganz glauben, was wir die Tage und vor allem an diesem Final Tag erleben konnten und sind am Tisch fast eingeschlafen.

Wir hatten eine grandiose Stimmung und sind mit unserem 67. Platz recht zufrieden.
Wir danken allen, die uns unterstützt haben und freuen uns auf die nächsten Events in der Liga.

Simon Tripp

Ergebnislisten

Eventseite J/70 WM