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Foto Maxi Posner

Das ist jetzt aber ein Scherz oder?

Als mich Poldo, Chrissi und Moritz Mitte September von der Arbeit abholten, kam schnell das Thema ASSO99 EM auf - und ob ich Zeit hätte. Wir waren gerade auf dem Weg zur Segelbundesliga nach Kiel und eine Woche nach dem Segeln am Gardasee (Asso99 Italian Open und Trofeo Gorla), dessen Wind mir noch in den Knochen hing. Aber andererseits, was war zu erwarten? Ein langes Wochenende mit Freibier und wenig Wind. Maxl und Lui dazu und wir waren ein komplettes Team, das ein solches Wochenende stemmen kann (Schafkopf mit Geber Runde).

Doch es sollte alles anders kommen!

Schon beim Melden die erste Überraschung: 14 Boote! Mehr und mehr aufregende Informationen erreichten uns. Der Royal Segelclub aus Belgien reist an, Segellegenden von Pinswang bis Calgary sind vertreten und es wird weiter gemeldet...

Am Start sollten es dann 20 Boote aus 8 Nationen (+ 1 Österreicher) sein.

Beim Meeting selbst, zeigte sich das Seglerheim von seiner besten Seite und genderte die Steuermannsbesprechung, die dann auch in allen Landessprachen abgehalten wurde.

Und dann ging es endlich los. Am ersten Tag konnten wir drei Regatten bei wechselhaftem Wind segeln. Die Kurse lagen leider nicht immer ganz im Wind, und so konnten wir durch gute Starts und anpassungsfähigen Gewichtstrimm, alle drei Wettfahrten mit gutem Abstand für uns entscheiden.

Tag 2 war Oktober-Chiemsee-Segeln wie erwartet. Eine verkürzte Wettfahrt (Platz 5) und langes Warten im Regen. Aber es half alles nichts; der Wind schlief ein. Gott sei Dank folgen wir neben ASSO Segeln auch noch einer weiteren Breitensportart und konnten uns das Warten mit Discgolf verkürzen.

Als der Wind wiedereinsetzte, sah man die Professionalität aller Teilnehmer, denn trotz des königlichen Freibieres (SKH Prinz Luitpold von Bayern sponsort traditionell ein paar Fässer Kaltenbacher Bier) dauerte das Auslaufen der kompletten Flotte nur wenige Minuten. Auch wir schafften den Wechsel vom Werfen zum Segeln und konnten noch eine weitere Wettfahrt gewinnen.

Für Tag 3 war richtig Wind angesagt. Dieser lies aber beim Auslaufen noch auf sich warten, zeigte sich aber schon in den Böen, die uns schnell an die Startlinie brachten. Während der ersten Wettfahrt frischte es auf und wir waren froh, durch „unfallfreies Segeln“ doch noch beim Fotofinish vorne zu liegen. Der Wind nahm weiter zu und wir starteten in die 7. Wettfahrt mit netto 6 Punkten. Beim zweiten Downwind slideten wir unsere direkten Konkurrenten mit 16 Knoten und vielleicht 1,5 m Abstand am Heck vorbei. Wer die Zeit hatte, konnte das Feuer in den Augen unseres Kapitäns sehen. Noch ein Bergemänover und wir sind auf der 150m Zielkreuz. Wir liegen auf Platzt drei oder vier. Das reicht! Damit werden wir Europameister! Werden wir nicht.

Als ich das Knacken höre, weiß ich nicht was los ist. Als Chrisi und Maxl zeitgleich mit mir fallen, verstehe ich noch weniger was los ist. Wie können drei Trapeze zur selben Zeit reißen? Im kalten Wasser angekommen und aufgetaucht, sehe ich, was los ist. Aber ich will es nicht glauben. Der verkehrsviolette Mast der Spasso, der 30 Jahre sehr gute Dienste leistete, stand nicht mehr auf Deck. Ich weiß nicht, was mich mehr traf. So kurz vor dem Ziel zu scheitern oder diese Legende im Wasser zu sehen. Aber zum Leiden war keine Zeit.

Das Segel musste geborgen werden und der Mast gesichert. Wir waren alle froh, dass niemandem etwas passiert ist. Im Schlepp merkten die Trapezleute dann schnell, wie das Adrenalin weniger wurde und die Kleidung nass war – es war A****-kalt.

Ja und dann schmiedeten wir einen Plan! Wir fahren wieder raus! Ein Mast liegt im Seglerheim und wir müssen diesen so schnell es geht stellen. Und wir brauchen Kleidung zum Wechseln... Dann rief Poldo: „Dahinten ist eine Asso!!!“ und wir wussten, was wir zu tun hatten. Eine Asso hatte vorzeitig aufgegeben und war auf dem Weg in den Hafen.

Drinnen angekommen ging alles schnell. Drei ziehen sich um, zwei machen das Boot klar, einer fährt und kapert eine Asso, ob der Steuermann unter der Dusche steht oder nicht. Die dritte Wettfahrt lief bereits. Wir müssen warm werden und schnell auslaufen! Da kommt Poldo und Chrisi mit der Asso. Segel und Spie einbinden und ablegen. Jeder sucht sich seinen Platz und findet schnell heraus, dass alles irgendwie anders ist. Warum sind die Barberholer ausgerechnet bei mir?...

Wir sind pünktlich am Start. Die Regatta geht wie in Sekunden vorbei. Ein letzter Ritt nach unten und wir greifen unsere direkten Konkurrenten noch einmal an. Diesmal reicht unsere Attacke nicht. Durch gute seglerische Umsicht kann uns das ungarische Boot auf Platz 3 drängen, selbst aber als Erster durchs Ziel gehen. Der Wettkampf ist vorbei und die Ungarn, mit denen wir nun um Platz 2 gekämpft haben, zeigen Sportgeist und bedanken sich für die schönen Matches.

Drinnen angekommen stehen alle unter Strom. Es geht sofort rüber ins Seglerheim an den Aushang zum Rechnen. Punktegleichstand! Ein Krimi, der sich erst bei der Siegerehrung auflösen wird. 20 Boote – alle werden vorgerufen. Das Seglerheim wird zum Hexenkessel. Noch nie war ich bei einer Preisverteilung mit so viel Applaus bis zu den hintersten Plätzen. Platz 2 für die Ungarn und wir sind aus dem Häuschen. Auch nach der Auflösung ist die Stimmung fantastisch und wir trinken mit unseren Konkurrenten.

Es war ein aufregendes und emotionales Wochenende, dass ich wohl nicht mehr vergessen werde. Dass meine Frau Luisa auch noch erfolgreich (mit Carla Gerlach auf Platz 9), in die Regattabegeisterung gefunden hat, freut mich besonders.

Ich bedanke mich bei meinen Mitseglern und Kapitän (Lui, Mo, Maxl, Mü, Poldo) für den unglaublichen Zusammenhalt von der ersten bis zur letzten Minute!

Simon Tripp